Reisetagebuch Peking 2017

(1.5.2017, Montag)

3. Tag der Art Beijing.

Vom Arbeiterfeiertag ist hier weniger zu sehen, d.h. gar nichts, als in Deutschland. Von den Menschen entsteht der Eindruck von frischem, sanftem Wind, der sanft und kraftvoll herrliche Blüten bewegt, die nun dem Licht entgegenwachsen und dabei alles Fruchtbare aus allen Kulturen aufnehmen. Zierliche Gestalten verschiedenster Art, allen geht es gut. Es entsteht der Eindruck, dass sie weitaus glücklicher und zufriedener, strahlender, aufmerksamer und dabei im Aufbruch sind als in Europa oder Amerika. Das Ausblenden von Gewalt und anderen Abgründen im Internet hat wohl die Wirkung, dass alles geordneter ist. Auf der anderen Seite wird sehr aktiv mit dem Smartphone gearbeitet. Inwieweit es dann noch zu inneren Erlebnissen kommt, kann ich in den 3 Wochen nicht beurteilen.

 Die Lichtorgel senkt sich hinein in die Menschenmassen. Viele können gut Klavier spielen, manche lasse ich die Lichtorgel ausprobieren.

 

Ein eigenes Thema ist die Luft von Beijing. Dieselbe Fläche, die man an einem schönen Sonnentag geputzt hat, ist am nächsten Tag sichtbar mit einem Sandfilm überzogen. Das gilt für alle Gegenstände. Der Verkehr gibt bei der Größe der Stadt natürlich seins dazu, so, dass einige/manchmal etliche, mit Atemmasken laufen Die Masken sind dann auch schön verziert, man richtet sich also darauf ein, mit dieser Luft zu leben. Die Bemühung der Stadt und des Staates sind aber spürbar in den großflächigen Alleenanpflanzungen, es sind zehntausende, wenn nicht sogar hunderttausende von Baumpflanzungen auf dem gigantischen Stadtgebiet (Beijing ist 13x so groß wie New York). Heute fragen die Menschen schon gezielt nach. Es entstehen längere und tiefe Gespräche zur Kymatik und zur Lichtorgel. Kinder ziehen und zerren ihre Eltern an den Stand.

 

(2.5.2017, Dienstag)

4. Tag der Art Beijing.

Das Wetter ist beständig, nachts nicht unter 18-20°C, tagsüber 30-33°C. Immer strahlender Sonnenschein. Schon seit Tagen sagt mir Yaping, dass sie einen Taomeister kennt und eingeladen hat. Heute Morgen war er dann einfach da. Ich führte ihn in die Kymatik ein, verbunden mit der englischen Übersetzung von ‚Der Ton der Erde und der Ton des Menschen‘. Ebenso in die Planetenskalen, er hatte eine große Freude am Ausprobieren des Monochords. Auch einige Grundzüge der Anthroposophie erklangen. (Seit Kürzerem gibt es ja vier Übersetzungen von Rudolf Steiner in Mandarin, die ‚Theosophie‘, die ‚Allgemeine Menschenkunde‘, ‚Erziehung vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft‘ und die ‚Philosophie der Freiheit‘).

Im zweiten Teil zeigte er mir Übungen aus dem Taoismus, abwechselnd zu Übungen von Logos-Gradualis, in die ich ihn einführte. Heute ist der letzte Messetag. Nochmals kam es zu wichtigen Begegnungen.

(3.5.2017, Mittwoch)

 

Die  Art  Beijing  ist  vorbei.  Wir  haben  verschiedene Einladungen  bekommen  für  die nächsten Tage. Heute bauen wir den Lautsänger auf für das Treffen mit Oliver (europäischer Name für den Teil-Telekom-Chef in China; die chinesischen Geschäftsleute geben sich europäische Namen, damit sich die Europäer die Namen merken können).

Das Wetter ist seit gestern etwas kühler, leicht bedeckt, 24-28°C.

Beim Probelauf für den Lautsänger erleben wir, dass es hier fast keinen Klangäther gibt. Auch die verschiedensten Holzstücke klingen trocken, spröde. Erst nach etlichen Stunden gelingt es, mit vielen Griffen und Umstellungen, dass der Lautsänger klingt. Wir werden den Verstärker von Yaping mitnehmen. Kann es tatsächlich sein, dass durch die jahrtausendalte Geschichte, in der in unzähligen Übungen des Taoismus, des Konfuzianismus und vielen anderen Strömungen der Äther aus dem Raum gesaugt wird, dass dieser Raum fast entätherisiert ist? Den Pflanzen nach sieht es so aus, sie kommen über eine bestimmte Stufe nicht hinaus. Als ich das zu Ralf T. ausspreche, meint er, dass Mao-tse-tung auch alle Sperlinge und Spatzen hat ausrotten lassen. Gegenüber allen anderen

 

Großstädten in den USA, Europa, Afrika gibt es hier so gut wie keine Vögel. Nur vereinzelt, selten. Mao Tse-tung ließ sie ausrotten mit der Begründung, sie würden bei der Saat die Getreidekörner picken und dadurch die Ernte mindern. Kann es tatsächlich sein, dass der Sozialismus auf dem Boden der jahrtausendalten Übungen diese Einzigartigkeit hervorgebracht hat? Nirgends hört man Vögel singen, nur das Bellen von Hunden, das aber fast ununterbrochen. Ein Indiz scheint dies zu bestätigen: Wenn wir verschiedene Chinesen auf dem hier gekauften Flügel spielen ließen, dann klang es unendlich trocken, fast knirschend oder technisch. Insofern ist Lang-Lang wirklich ein Führer Chinas geworden, der die Menschen bewegt, zu musizieren. Noch in den 1980iger Jahren geschah es, dass beim ersten Besuch der Berliner Philharmoniker unter Karajan, 2 Mitglieder des Orchesters beim Aussteigen aus dem Flugzeug abstürzten, da der Gangway nicht zum Flugzeug passte. Bei den Proben sprachen, aßen und schmatzten die chinesischen Zuhörer so laut, dass Karajan diese erste Konzertreihe abbrechen wollte. Mit Lang-Lang üben seit dem Beginn des 3. Jahrtausends ca. 40 Millionen chinesischen Kinder Klavier, Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Debussy usw. Ein Umschwung ist eingetreten, in dem die Kunst inzwischen in das Bewusstsein gekommen ist. Heute gibt es Stille vor dem Anfang eines Konzerts, auch während der Darbietung wird zugehört. Durch das Austilgen der eigenen Kultur (Mao; die sogenannte „Kulturrevolution“ der Viererbande, die alles Religiöse vernichten ließ) ist eine enorme Offenheit für die europäische Musik da. Und man sieht den Menschen diese Veränderung an. Feingliedrig, beseelt und heiter leben sie nun auf die Zukunft zu, die hier überall zu greifen ist. Singen habe ich bis heute nicht einen Menschen gehört. Das, was in Deutschland einen Teil der Kultur ausmacht, indem in jedem Dorf, Ort und Ansammlung von Menschen gesungen wird (der deutsche Chorverband hat 21.000 Chöre und 1,8 Millionen Mitglieder, mit allen anderen Chören in Kirchen, Schulen und freien Projekten müssten es 30.000 in Deutschland sein).

Die Vögel singen hier anders, verhaltener, fast stumm. Es tönt ja auch nichts aus Menschenkehlen.

Marie Steiner sagte ja, es müsse in Amerika gesungen werden. Dasselbe gilt für China:

die Menschen sind offen und warten auf das, was man bringt. Zusammen mit den ersten Übersetzungen von Rudolf Steiner kann durch die Kymatik ein Anfang ausgelöst werden. Gerade erinnere ich mich  an  den  Besuch auf  dem  sowjetischen Gulag  (Solowjetzki-Inseln). Dort singt kein Vogel. Absolute Stille liegt über diesem Ort, den Solschenizyn ja beschrieben hat. Die Art der Stille ist hier ähnlich: 70 Millionen Menschen hat Mao umbringen lassen. Und doch ist der Umbruch stärker. Was für Veränderungen!

(4.5.2017, Donnerstag)

Heute haben wir ein größeres Treffen vor uns. Oliver (europäischer Name) hatte uns ein Treffen für den Lautsänger zugesagt. Inzwischen hatte er ja auf der Art Beijing die Menschen in die Ton-Kreis-Bilder eingeführt, nachdem ich ihm im MoCA eine differenzierte Einführung gegeben hatte. Von mir aus war ausgesprochen worden, hier schrittweise eine Firma zur Produktion des Lautsängers aufzubauen. Das Gebäude ist mehrfach gesichert, durch große, dicke Türen werden wir von dem empfangenden Mitarbeiter in die erste Etage geleitet. Das Haus ist quadratisch um eine quadratische Halle gebaut. Normalerweise lässt Oliver sonst seine Gäste gerne mit einer großen Limousine abholen, aber heute ist sie schon im Einsatz. Wir werden in ein Empfangszimmer geleitet und dort mit Getränken und Ananasstücken begrüßt. Freundlicherweise hat uns Nouri eine seiner Mitarbeiterinnen als Dolmetscherin zur Verfügung gestellt, zusätzlich ist die gesamte Zeit die recht Hand von Oliver anwesend (ihr europäischer Name: Alice). Gesprochen wird vor allem Englisch, wobei man anmerken muss, dass die hier professionell arbeitenden Manager/Sekretärinnen ein perfektes amerikanisches Englisch sprechen.

Für den Aufbau habe ich 2h veranschlagt, denn wir testen, wo es am besten klingt. Ich habe Oliver gebeten, seine besten Lautsprecher gegen meinen Lautsänger antreten zu lassen, mit der Hoffnung, dass er uns die Tür zum chinesischen Markt öffnen kann. Bevor es losgeht, führt er uns (Ralf T. und mich) in einen Demo-Raum, um die neuesten Entwicklungen zu zeigen. Jetzt erst zeigt sich, dass er früher eine leitende Funktion im Lautsprechersektor hatte. Er war der Beauftragte von Philipps für China und daher ist er erfahren im Umgang mit Lautsprechern. Philipps wurde aber aufgeteilt und er musste sich einer neuen Aufgabe widmen.

So ist Oliver international viel unterwegs, und es kommen potentielle Käufer in dieses Gebäude, das rein der Repräsentation, Treffen und dem Verkauf dient. Oliver zeigt anschließend diverse Räume, von denen ich einen großen Besprechungsraum (Konferenzsaal) wähle. Während verschiedene Lautsprecherexemplare hereingetragen werden, verschiedene Verstärker, CD-Player, baut Ralf T. den Lautsänger auf. Es sind von Oliver mehrere Menschen abgestellt, aufbauen zu helfen, schlussendlich übernimmt aber Ralf T. als Ingenieur die Aufbauarbeiten allein. Nach ca. 1½ Stunden Vorarbeit sind wir fertig. Der große Moment kann beginnen. Was in den nächsten Stunden passiert, ist äußerst dynamisch. Oliver (und sein Stab, es sind immer Begleitpersonen dabei), ist fassungslos, nachdem er die ersten Töne gehört hat. Er läuft aus dem Raum, telefoniert, wir setzen schrittweise die Demonstration fort, und man merkt, dass er ein führender Techniker und Fachmann ist. Er stöpselt um, vergleicht, lässt die Lautsprecher verschieden aufstellen, immer wieder neu, auf dem Boden, aufeinander, lässt noch bessere Lautsprecher holen. Den Lautsänger hatte ich vorgestellt als ein erstes Beispiel von organischer Technik, die nicht die Umwelt in Erdatmosphäre, Erde, Elemente und den Menschen demontiert und schlussendlich zerstört. Dabei ist die Kymatik die Forschungsmethode, die in Kunst und Wissenschaft dem Leben organologisch auf den Grund geht. Da Oliver sehr intelligent und aufnahmebereit ist und er sich gerade im Lautsprechersektor sehr differenziert auskennt, zusätzlich noch Erfinder, Forscher und Entwickler von Technik, und obendrein China technologisch dabei ist, im Computerbereich und an anderen Technologien davonzuziehen, ist unübersehbar, wie es an ihm nagt und zusätzlich sein Weltbild anfängt zu bröckeln. Denn ohne Zweifel ist der Lautsänger der Anfang einer neuen Epoche, der Lautsprecher im Grunde akustische Gewalt. Plötzlich taucht sein Partner auf, der zweite Chef, den er wohl angerufen hat. Auch er taucht ein, ich nutze die Gelegenheit, Oliver gründlicher in die Kymatik einzuführen an Hand des Buches von Hans Jenny. Unmittelbar  danach  führt  Oliver  seinen  Partner  (europäischer  Name:  Viktor)  in  die Kymatik ein. Ich zeige dann, wie gerade in der Konferenztechnik der Lautsänger neue Dimensionen eröffnet. Nach 3h Prüfen will Oliver wissen, ob man den Lautsänger auch in großen Räumen anwenden kann. Ich antworte, dass der Lautsänger überall gleichzeitig saugt und der Klang von außen kommt, es von daher keine Frage ist. Ungläubig wartet Oliver. Seine Boxen sind inzwischen 3-4x so groß wie der Lautsänger. Sie arbeiten aber nur mit Power, also einer hohen Watt-Zahl, und ich demonstriere, wie die menschliche Stimme den Klang nicht allein zentrifugal, sondern auch überall gleichzeitig ansaugt (zentripetal). Der letzte Vergleich beginnt. Unten, in der Mitte der Halle aufgebaut: zwei große Lautsprecherboxen, daneben der äußerlich viel kleinere Lautsänger. Ich zeige Oliver dann, dass wir uns beliebig weit entfernen können, der Klang bleibt beim Lautsänger. Wir gehen und gehen durch Flure, der Klang nimmt kaum ab. Als ich dann sage, dass der Verstärker ein Viertel aufgedreht ist und kurzfristig auf die Hälfte hochgefahren wird, dabei der Hallenraum winzig erscheint, gibt sich Oliver fast geschlagen. Zum Schluss will er noch von seiner rechten Hand Alice durch das Mikrofon vorgelesen bekommen, wieder im Vergleich Lautsprecher und Lautsänger. Der Unterschied ist frappierend, Oliver still und sprachlos. Es wird noch 2h dauern, bis er die Sprache wieder auf den Lautsänger richtet. Er sagt, es sei nun Zeit für das Essen. In zwei Autos, einem neuen Bus und einem Porsche Panamera fahren wir zu einem Restaurant. Wir werden dort in ein abgetrenntes Nebenzimmer begleitet, es scheint der Ort zu sein, zu dem er gerne Gäste einlädt. Alle zusammen sind wir sieben Personen. An einem großen, runden Tisch nehmen wir Platz. Eine wunderschöne, drehbare Glasplatte steht in der Mitte. Sie hat einen Durchmesser von ca. 1,50m. Verschiedenste Speisen, die ich noch nie gesehen habe, werden serviert. Wiederum nach 1½ h beginnt das Gespräch. Auch der zweite Chef ist dabei. Oliver stellt lange Zusammenhänge dar, die die Übersetzerin Doki sich merken kann (10 Min.). Zum Ende des Gesprächs stellt Viktor (der zweite Chef) fest, dass sie viele Verbindungen haben und bereit sind zu helfen. Uns wird angeboten, die Konkretisierung in einem weiteren Treffen zu vollziehen. Wir werden zu unseren Gästequartieren gebracht. Oliver ist bester Laune und meint, Atmani käme von Art, denn die Lautsänger wären zu einem großen Teil aus der Kunst geboren. Und er fasst zusammen: Artmani. Alle lachen lautstark.

 

(5.5.2017, Freitag)

Heute sind wir eingeladen zu einer jüngeren Frau, die Kuratorin für die Designmesse ist. Zur Begrüßung sitzen wir an einem schön geformten gebogenen Tisch. Sie bittet mich allen Anwesenden eine Anthropofonetik-Behandlung zu geben. Nach einigen Momenten gehen wir in den Nachbarraum. Gleich vier junge Frauen legen sich auf ein breites Bett. Ich hülle sie in eine Decke ein. Nachdem alle einzeln behandelt sind, kommen noch ein Russe (Serge) und eine weitere Chinesin. Anschließend führen wir den Lautsänger ein und sprechen über die Lichtorgel. Dies geschieht im Meditationsraum. Wir vereinbaren, die Lichtorgel an verschiedenen Stellen erscheinen zu lassen. Um 19:00 Uhr müssen wir aufhören, da sie einen Flug nach Ägypten hat.

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